Raus aus der Eskalation! Gelungene Gesprächsführung statt Streit

Raus aus der Eskalation! Gelungene Gesprächsführung statt Streit

Die Art & Weise, wie wir im Alltag Gespräche führen, ist häufig ein wunderbares Beispiel für den Clash zwischen Wunsch und Wirklichkeit:

„Ich will’s nett mit dir haben!“ vs. „Na wunderbar, jetzt streiten wir uns wieder!“

Selbst wenn wir mit dem Ziel ins Gespräch gehen, ganz sachlich und souverän ein Problem zu lösen, landen wir oft in fruchtlosen Diskussionen und Schuldzuweisungen. 

Das ist nicht nur frustrierend, sondern wirft auch Fragen auf, z.B.:

  1. Was läuft da eigentlich genau schief?
  2. Wie kommen wir aus einer eskalierenden Situation wieder heraus?
  3. Und wie können wir es beim nächsten Mal von Anfang an besser machen?

Genau das schauen wir uns in diesem Artikel an. Und weil wir als geborene Nachahmer am besten anhand von Modellen & Vorbildern lernen, schauen wir uns das Thema gelungene Gesprächsführung anhand eines Beispieldialogs zwischen einem (selbstverständlich fiktiven, wer würde schon über Leute schreiben, die er kennt?!) Pärchen an, das über ihre unterschiedlichen Wochenendpläne in Streit gerät. Und mit ein bisschen Hilfe wieder herausfindet. 😉

Falls dich die eingesetzten Strategien der Deeskalation genauer interessieren, die stelle ich in diesem Artikel vor.

Navigation durch den Beispieldialog

Beim Erstellen des Beispieldialogs bin ich über diese anklickbaren Textboxen gestolpert und musste sie sofort begeistert anwenden. Und so funktioniert’s (einmal durch die drei lila/grauen Reiter klicken):

Im Reiter „Die Eskalation“ kannst du jeweils zwei Sätzen des Original-Dialogs lauschen. Vielleicht erkennst du bereits, wie die beiden Streithähne jeweils dazu beitragen, dass das Gespräch eskaliert (watch out for: Vorwürfe, Sarkasmus, Fangfragen, Übertreibungen und Unterstellungen).

Im Reiter „So steigst du aus“ findest du jeweils alternative Antworten, wie du aus der Eskalationsspirale aussteigen und das Gespräch in eine konstruktivere Richtung lenken kannst. Die Beispielsätze stellen nicht „die richtige Lösung“ dar, es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, zu deeskalieren. Wahrscheinlich fallen dir selbst noch weitere gute Varianten ein. Disclaimer: Je weiter das Gespräch fortschreitet, desto schwieriger wird es, das Gespräch noch in eine positive, lösungsorientierte Richtung zu steuern. Aber wir tun unser Bestes! 😉

Im Reiter „Von Anfang an konstruktiv“ findest du ein positives Gegenbeispiel, wie das Gespräch hätte laufen können, wenn es von Anfang an respekt- und verständnisvoll, lösungsorientiert und offen geführt worden wäre. Hach, es kann so schön sein!

Ob du dich lieber abschnittsweise durch die drei Reiter klickst oder lieber erst den gesamten „Eskalations“-Dialog durchliest, ihn dann mit dem „Von Anfang an konstruktiv“-Dialog vergleichst, dir alle Ausstiegsbeispiele hintereinander anschaust oder dir lieber selbst Exit-Strategien überlegst, ist ganz dir überlassen. 😉

Die Ausgangssituation des Streits

Es ist ein knackig-kalter Mittwochnachmittag. Wir befinden uns im gemeinsamen Wohnzimmer von Lena und Jan. Beide sind Anfang 30 und seit knapp zwei Jahren ein Paar. Lena sitzt am Schreibtisch und arbeitet konzentriert an ihrem Laptop. Jan hat in einem anderen Zimmer telefoniert und macht in exakt diesem Moment schwungvoll die Tür auf.

Showtime!

Eskalation & Ausstieg aus dem Streit

Jan: Hey, tolle Neuigkeiten: Ich hab grad mit Paul und Jonas telefoniert. Wir drei fahren am Wochenende zum Skifahren in die Berge. Das wird so cool! Ich such gleich mal meine Skisachen raus.

Lena: Bitte was? Werd ich hier vielleicht auch mal gefragt? Wir hatten doch ausgemacht, am Wochenende zusammen ins Kino zu gehen! In diesen neuen Tom Schilling Film. Sag nicht, das hast du vergessen?!

Klar: Jan hätte Lena fragen sollen, bevor er seinen Freunden zusagt. Das hat er versäumt und Lena ist entsprechend sauer.

Dennoch hätte Lena ihre Gefühle und Wünsche etwas sachlicher und ohne Vorwürfe, Ironie und Suggestivfragen äußern können:

„Ich bin etwas überrascht und traurig, dass du deinen Freunden zugesagt hast, ohne mich zu fragen. Ich bin davon ausgegangen, dass wir am Wochenende zusammen ins Kino gehen. Darauf freue ich mich schon die ganze Woche.“

Jan: Hey, passt es dir gerade? Ich würd gern kurz mit dir über meine Pläne fürs Wochenende reden.

Lena: Ich schreib noch schnell die E-Mail hier zu Ende, dann können wir reden.

10 Min später

Jan: Paul und Jonas haben mich gefragt, ob ich dieses Wochenende mit ihnen zum Skifahren in die Berge fahre. Ich hab total Lust darauf, hab die beiden ewig nicht gesehen und das Wetter soll auch super werden. Ich hab also zugesagt. Ist das ok für dich?

Lena: Hmm, also eigentlich wollten wir zwei dieses Wochenende in den neuen Kinofilm mit Tom Schilling gehen, weißt du noch?

Jan: Hä? Wovon redest du? Du hast letztens mal erwähnt, dass wir ja mal wieder ins Kino gehen könnten. Aber von „ausgemachtund diesem Wochenende kann überhaupt keine Rede sein.

Lena: Ist ja mal wieder typisch: Du hörst mir gar nicht richtig zu! Der Film läuft doch nur noch bis diesen Sonntag.

Jan hätte Lenas Empörung und Enttäuschung statt mit Unverständnis und Ablehnung mit dem Zugeständnis seiner Überraschung, einer Entschuldigung und einer Lösung für die Zukunft deeskalieren können:

„Oh, wirklich? Dass wir ins Kino wollten, hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm… Tut mir leid, dass ich zugesagt habe, ohne dich vorher zu fragen. In Zukunft spreche ich mich vorher mit dir ab.“

Und Lena hätte auf Jans kategorische Zurückweisung einer festen Verabredung statt mit einem pauschalen Vorwurf mit Klärung und Wiederholung ihres Wunsches und ebenfalls einem Lösungsvorschlag reagieren können:

„Ok, dann ist das offenbar nicht richtig rübergekommen. Ich würde am Wochenende wirklich sehr gerne mit dir ins Kino gehen. In Zukunft werde ich noch deutlicher sagen, was ich meine.“

Jan: Ach so? Das hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Ich dachte, dass du einfach grundsätzlich gerne mal wieder ins Kino willst?

Lena: Vielleicht habe ich es nicht so deutlich ausgedrückt wie es gemeint war. Also: Ich will diesen Film total gerne sehen und er läuft nur noch bis diesen Sonntag im Kino. Außerdem würde ich gerne wieder was mit dir unternehmen.

Jan: Ich höre dir immer zu! Aber wenn du nicht klar sagst, was du willst, woher soll ich es dann wissen? Jedenfalls bin ich jetzt fürs Wochenende mit den beiden verabredet, das sage ich nicht einfach wieder ab.

Lena: Na toll! Dann sind dir deine Freunde also wichtiger als ich, ja? Schönen Dank auch!

Jan hätte auf Lenas pauschalen Vorwurf reagieren können, indem er ihre Worte in abgemildeter Form spiegelt und so zeigt, dass er zuhört oder sich zumindest darum bemüht. Danach hätte er eine lösungsorientierte Frage stellen können:

„Du hast also den Eindruck dass ich dir oft nicht richtig zuhöre? Wie könnte ich dir zeigen, dass ich zuhöre? Wie können wir nach einer Unterhaltung sicherstellen, dass wir beide das Gleiche verstanden haben?“

Lena hätte auf Jans Gegenvorwurf und seine Weigerung, die Verabredung mit seinen Freunden abzusagen, mit einem abgemildeteren Zugeständnis, einem konstruktiven Vorschlag für die Zukunft und einer Frage reagieren können:

„Du hast recht, manchmal könnte ich mich noch klarer ausdrücken und direkt sagen, was ich will. Ich werde es versuchen. Was das Wochenende angeht: Vielleicht kriegen wir ja auch beides unter einen Hut, dann musst du niemandem absagen?“

Jan: Ok, das hatte ich tatsächlich nicht so verstanden, hmm. Ich möchte auch gerne etwas mit dir unternehmen. Gleichzeitig will ich Paul und Jonas nicht hängenlassen.

Lena: Kann ich verstehen. Trotzdem bin ich ein bisschen ärgerlich und traurig, dass du mich nicht gefragt hast, bevor du ihnen zugesagt hast. Kannst du dir vorstellen, dass wir in Zukunft vorher miteinander sprechen, bevor wir Verabredungen mit anderen festmachen?

Jan: Was ist eigentlich los mit dir? Ich will doch einfach nur mit meinen Freunden Skifahren gehen. Was machst du denn deswegen so einen Aufstand?

Lena: Das kann ich dir gerne sagen! Wir wollten am Wochenende ins Kino gehen und du wirfst unsere Verabredung einfach so über den Haufen. Noch schlimmer: Du hattest sie gar nicht mehr auf dem Schirm. Ich bin dir offenbar total egal!

Statt Lenas Gefühle zu banalisieren und ihre Reaktion als „unnormal“ hinzustellen hätte Jan Lenas versteckte Bedürfnisse hören und eine lösungsorientierte Vermutung anstellen können:

„Verstehe ich dich richtig, dass du dir wünschst, dass ich mehr Rücksicht auf dich nehme und dich in meine Entscheidungen stärker einbeziehe?“

Und Lena hätte statt Vorwürfe und Unterstellungen zu machen bei sich bleiben und ihre Gefühle und Beweggründe mitteilen können:

„Ich bin einfach traurig darüber, dass du unsere Verabredung nicht auf dem Schirm hattest und eine andere getroffen hast, ohne mich vorher zu fragen. Ich mache mir Sorgen, dass ich dir nicht mehr so viel bedeute wie früher.“ 

Jan: Ja, auf jeden Fall. Ist blöd gelaufen, lass uns das in Zukunft besser absprechen.

Lena: Danke. Und wegen diesem Wochenende: Vielleicht kriegen wir ja auch beides irgendwie unter einen Hut?

Jan: Jetzt übertreib mal nicht so! Ich richte mich doch ständig nach dir.

Lena: Ach ja? Und wann soll das gewesen sein? Du machst doch immer einfach, worauf du Lust hast. Und ich muss dann damit klarkommen.

Statt mit einer Abwertung und einem Gegenvorwurf hätte Jan Lenas Unterstellung deeskalieren können, indem er ihrem Vorwurf, der ja einer gewissen Unsicherheit über den Status ihrer Beziehung entspringt, entschieden widerspricht und ihr versichert, dass sie ihm wichtig ist. Anschließend hätte er dazu einladen können, eine gemeinsame Lösung zu finden:

„Nein, meine Freunde sind mir nicht wichtiger als du. Es tut mir leid, wenn ich dir diesen Eindruck vermittelt habe. Du bist mir sehr, sehr wichtig und ich unternehme gerne etwas mit dir. Lass uns mal schauen, ob wir vielleicht beide Verabredungen kombinieren können.“

Lena wiederum hätte statt mit Sarkasmus und Gegenvorwürfen Jans verdecktes Bedürfnis hören, spiegeln und eine lösungsorientierte Frage stellen können:

„Du hast also den Eindruck, dass wir öfter das tun, was ich will, und dass deine Ideen und Wünsche zu kurz kommen? Das war mir nicht bewusst und das möchte ich auch nicht. Kannst du dir vorstellen, mich in Zukunft darauf hinzuweisen, wenn du das Gefühl hast, dass ich zu sehr bestimme, und mir sagen, was du stattdessen lieber tun würdest?“

Jan: Ja, lass mal überlegen, wie wir das hinkriegen. Ich will den beiden wirklich nicht absagen. Aber ich will auch gerne Zeit mit dir verbringen.

Lena: Ich bin so froh, dass du das sagst! Ich hab manchmal Angst, dass ich dir nicht wichtig bin.

Jan: Auf so eine dämlich Frage erwartest du jetzt nicht ernsthaft eine Antwort, oder?

Lena: So dämlich ist sie gar nicht, wenn man immer und immer wieder übergangen wird! Das war unser Wochenende!

Statt Lenas Frage abzuwerten und mit einer rhetorischen Gegenfrage zu beantworten, hätte Jan Lenas Verunsicherung spiegeln und sie seiner Gefühle versichern können. Im Anschluss hätte er den Weg in Richtung einer gemeinsamen Lösungssuche einschlagen können:

„Du hast also das Gefühl, dass ich mich zu wenig für dich interessiere? Du kannst dir ganz sicher sein, dass ich dich liebe und dass du mich sehr interessierst. Vielleicht kann ich das in Zukunft noch stärker zeigen. Tut mir leid, dass ich dich nicht gefragt habe, bevor ich Paul und Jonas zugesagt habe. Lassen sich unsere beiden Pläne vielleicht verbinden?“

Lena hätte statt mit einer beleidigten Rechtfertigung mit der Offenlegung ihrer Unsicherheit bezüglich Jans Gefühlen für sie reagieren können:

„Okay, meine Frage war etwas überspitzt. Aber ich mache mir tatsächlich Sorgen, dass wir uns auseinanderleben und dass du mich nicht mehr liebst. Es würde mir sehr helfen zu wissen, wie du zu mir und zu unserer Beziehung stehst.“

Jan: Du bist mir sogar sehr wichtig! Was hältst du davon, wenn du einfach mitkommst und wir zu viert Skifahren?

Lena: Hm, dann verbringen wir zwar Zeit zusammen, was schön ist, aber wir verpassen den tollen Film, den ich gerne sehen will.

Jan: Also das ist doch totaler Schwachsinn! Wenn du mir egal wärst, wären wir ja wohl kaum noch zusammen, oder?

Lena: Ich frag mich sowieso, warum wir noch zusammen sind. Du interessierst dich doch gar nicht mehr für mich! Merkst du überhaupt noch, dass ich existiere?

Statt mit einer kategorischen Abwertung und negativ formulierten „Beweisen“ hätte Jan auf die Beziehungsebene wechseln und Lena rückversichern können und danach nach einer Lösung suchen können:

„Im Gegenteil, du bist mir sogar sehr wichtig! Ich hatte den Kinobesuch tatsächlich nicht als feste Verabredung verstanden, offenbar gab es da ein Missverständnis zwischen uns. Lass uns schauen, wie wir jetzt das Beste draus machen und uns für die Zukunft noch besser absprechen.“

Lena hätte statt einer weiteren Unterstellung und einer Fangfrage Jans zugegebenermaßen sehr versteckte positive Gefühlsbekundung hören und (ohne Ironie!) wertschätzen können. Danach hätte sie überleiten können zu einer gemeinsamen Lösungssuche:

„Ok, dann bin ich dir also wichtig. Das freut mich, du bist mir auch sehr wichtig. Lass uns überlegen, wie wir das Wochenende gestalten können, sodass wir beide damit zufrieden sind.“

Jan: Stimmt … Und wie wäre es, wenn du den Film einfach vorher mit einer Freundin anschaust?

Lena: Ja, das könnte ich machen. Aber eigentlich will ich ihn lieber mit dir sehen. Ich glaube, der Film liefert richtig Stoff für Diskussionen und ich liebe es, Filme mit dir im Nachhinein auseinanderzunehmen. Wir hatten schon so coole Gespräche auf dem Heimweg vom Kino, das ist mit anderen Leuten einfach nicht dasselbe.

Jan:Das war unser Wochenende!“, mimimi. Jetzt beruhig dich mal wieder. Ich kann ja wohl noch mit meinen Freunden Skifahren gehen. Das ist schließlich mein Leben!

Lena: Ja, genau, kanzel mich ruhig ab! „Mein Leben, mein Leben“ – das ist verdammt noch mal auch UNSER Leben – als Paar, falls dir das überhaupt noch was bedeutet!

Statt Lena verächtlich nachzuäffen, hätte Jan sachlich seine Sicht der Dinge und seine Bedürfnisse teilen können:

„Offenbar gibt es hier ein Missverständnis, ich hatte es wie gesagt nicht so verstanden, dass wir dieses Wochenende fest fürs Kino verabredet waren. Ich finde die Idee aber gut und möchte auch etwas mit dir unternehmen. Lass uns mal überlegen, wie wir vielleicht beides unter einen Hut kriegen.“

Lena hätte statt mit einem weiteren Gegenangriff und ebenfalls Nachäffen Verständnis für Jans Bedürfnisse zeigen und ihre gemeinsamen Interessen betonen können:

„Natürlich kannst du was mit deinen Freunden unternehmen, ich will mich ja auch mit meinen Freundinnen treffen können. Vielleicht kannst du mich in Zukunft aber fragen, bevor du eine Verabredung direkt zusagst? Dann können wir uns besser abstimmen und vermeiden solche Situationen wie jetzt?“

Jan: Ich weiß, was du meinst, ich finde unsere Gespräche danach auch immer toll, wär schade drum. Hast du noch eine Idee?

Lena: Also ehrlich gesagt habe ich gar nicht so große Lust auf Skifahren. Vielleicht fahrt ihr drei alleine und du kommst einfach am Sonntagnachmittag nicht so spät nach Hause? Dann könnten wir abends zusammen ins Kino gehen. Was meinst du?

Jan: Ich bin echt naiv: Ich dachte, du freust dich mit mir. Stattdessen machst du wegen so einer Lappalie ein Riesentheater. Immer diese Streitereien, ich hab echt keine Lust mehr auf diesen Schei*!

Lena: Ach, jetzt bin ich auf einmal Schuld daran, dass wir uns streiten? Wer hat denn unsere Verabredung vergessen und einfach was anderes ausgemacht? Das ist ja wohl auf deinem Mist gewachsen!

Inzwischen ist die Situation schon ordentlich eskaliert. Jan kann eigentlich nur noch aussteigen, wenn er auf den emotionalen Hilferuf eingeht, den Lena seit einiger Zeit sendet:

„Natürlich bedeutet mir unser Leben als Paar etwas. Tut mir leid, wenn ich dir den Eindruck vermittelt habe, dass das nicht so sei. Du bist mir sehr, sehr wichtig. Und ich möchte auch gern mit dir ins Kino gehen. Lass uns mal überlegen, ob wir beide Pläne fürs Wochenende verbinden können.“

Lena hätte statt weiter das „Wer ist schuld?“-Spiel zu spielen, versuchen können, Jan wieder abzuholen und dem Gespräch eine konstruktivere Richtung zu geben:

„Tut mir leid, dass ich mich nicht mit dir freuen konnte. An sich ist es ja wirklich schön, dass Paul und Jonas mit dir Skifahren wollen. Ich habe mich nur schon so auf unseren Kinobesuch gefreut. Aber vielleicht schließt das eine das andere ja gar nicht aus?“

Jan: Ja, das könnte klappen. Ich rede mal mit Paul und Jonas, dass ich so gegen 17 Uhr wieder hier bin. Das müsste für die Abendvorstellung noch reichen, oder?

Lena: Ach, cool! Ja, der Film läuft am Sonntag um 20 Uhr.

Jan: Du bist ja total hysterisch!

Lena: Ach ja? Und du bist so egoistisch und überheblich, ich weiß gar nicht, wie ich es überhaupt mit dir aushalte!

Statt Lena pauschal zu beleidigen / abzuwerten, hätte Jan an dieser Stelle aus der Eskalationsspirale aussteigen können, indem er seinen Teil der Verantwortung übernimmt und ein Versöhnungsangebot macht:

„Okay, es stimmt, ich hätte mich mit dir absprechen sollen, bevor ich Paul und Jonas zugesagt habe. Das werde ich in Zukunft anders machen. Lass uns nicht mehr streiten. Vielleicht finden wir ja eine Lösung für dieses Wochenende, die uns beiden gefällt?“

Lena hätte statt ebenfalls mit einer Beleidigung zu antworten, deeskalieren können, indem sie eine interpretierende Frage stellt:

„Du fragst dich, warum ich so wütend und enttäuscht reagiere?“

Jan: Oh, ganz schön spät. Ich hoffe, ich bin dann nicht zu k.o.

Lena: Wenn du um 17 Uhr zuhause bist, kannst du dich vorher ja nochmal zwei Stunden hinlegen und ausruhen. Dann quetsch ich dich erst später aus, wie’s war. 😉

Jan: Na, da haben wir ja was gemeinsam. Es hat echt keinen Zweck, mit dir zu reden.

Lena: Du bist schon genauso fies wie dein Vater.

Spätestens ab jetzt ist es sehr schwer, noch zu deeskalieren, denn Lena stellt praktisch die gesamte Beziehung mit Jan infrage. Vielleicht hätte Jan statt mit einer Killerphrase zu reagieren aus dem Streit aussteigen können, indem er Lena fragt, was sie sich wünschen würde:

„Was bräuchtest du von mir, damit du dich in der Beziehung wohl und sicher fühlst?“

Lena hätte statt einen negativen Vergleich zu ziehen, Jan vorschlagen können, das Gespräch zu unterbrechen und später fortzusetzen:

„Weißt du was, lass uns tatsächlich eine kurze Pause machen und uns beide ein bisschen abkühlen. Ich glaube, wir finden eine Lösung, wenn wir uns heute Abend nochmal zusammensetzen und alles in Ruhe besprechen. Ok?“

Jan: Klingt gut, machen wir so. Cool, dass wir eine Lösung gefunden haben!

Lena: Finde ich auch. Danke, dass wir so offen miteinander reden können.

Jan: So, jetzt reicht’s! Ich gehe. Mach doch mit deinem Schei*-Wochenende, was du willst! (steht auf & knallt die Tür hinter sich zu)

Lena: Dann geh doch! Mit jemandem wie dir will ich sowieso keine Zeit mehr verbringen! A*schloch! (bricht in Tränen aus)

Wenn Jan übermenschliche Kräfte hätte, hätte er statt frustriert das Gespräch abzubrechen, einen Schritt zurückgehen und Verständnis für Lena zeigen können:

„Okay, manchmal bin ich etwas hart in meinen Worten, das tut mir leid. Ich kann verstehen, dass du traurig und gekränkt bist, dass ich mich fürs Wochenende verabredet habe, ohne dich vorher zu fragen. Das heißt aber nicht, dass ich dich nicht liebe. Das nächste Mal werde ich mich mit dir absprechen. Wollen wir nochmal in Ruhe schauen, wie wir dieses Wochenende gestalten und vielleicht sowohl Skifahren als auch Kino kombinieren können?“

Lena hat es sehr schwer, jetzt noch zu deeskalieren. Möglicherweise hätte sie es mit einer Entschuldigung und der Aussicht auf ein ruhigeres Gespräch später am Abend geschafft:

„Jan, warte mal! Der Vergleich mit deinem Vater tut mir leid. Lass uns heute Abend nochmal in Ruhe reden, wenn die Gefühle sich etwas abgekühlt haben, ok? Ich bin mir sicher, wir finden eine Lösung.“

Jan: Sag mal – hast du auch so’n Hunger?

Lena: Und wie! Pizza drüben bei unserem Lieblingsitaliener? (geben sich ein High Five)

Fazit: Die Zutaten für gelungene Gespräche

  • auf Vorwürfe, Schuldzuweisungen, Beleidigungen und Unterstellungen verzichten
  • nicht verallgemeinern, sondern konkret bleiben
  • nicht sarkastisch, ironisch oder zynisch werden
  • bei sich bleiben und seine eigenen Gefühle, Bedürfnisse & Wünsche mitteilen (Ich-Botschaften)
  • versuchen, die Sichtweise der anderen Person zu verstehen
  • Fragen stellen & positive Vermutungen anstellen („Was brauchst du, um …?“, „Du wünschst dir …“)
  • gut zuhören & zusammenfassen, was man verstanden hat
  • die Sicht des anderen als gleichberechtigt akzeptieren
  • nach Gemeinsamkeiten & Lösungen suchen
  • Gespräch nicht ohne Lösung beenden, lieber unterbrechen und später fortsetzen

Und vor allem: Üben, üben, üben! 😉

Ich bin neugierig: Kennst du auch Situationen, in denen ein Gespräch zum fiesen Streit eskaliert? Hast du weitere gute Sätze parat, um aus der Streitspirale auszusteigen? Schreib’s mir in die Kommentare!

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2 Kommentare zu „Raus aus der Eskalation! Gelungene Gesprächsführung statt Streit“

  1. Das sind wirklich sehr gute Tips! Konstruktiv ist natürlich immer sinnvoll. Leider glaube ich, dass das bei mir und meiner Schwester schon gar nicht mehr möglich ist. Hier geht es aber auch um so etwas heikles wie einem Erbe. Ich werde mir einen Anwalt für Erbrecht nehmen und dann wird sich das mit dem Streit hoffentlich auch bald lösen.

    1. Hallo Martin, das freut mich sehr, vielen Dank! In deiner Situation scheint der Konflikt schon weit fortgeschritten zu sein. Erbstreitigkeiten sind oft emotional höchst aufgeladen. Dein Plan, dir einen Anwalt zu nehmen, sichert dich rechtlich auf jeden Fall ab. Er wird aber vermutlich nicht dafür sorgen, dass sich der Streit mit deiner Schwester auflöst. Wenn dir daran gelegen ist, dass ihr wieder miteinander sprechen könnt und eine Einigung findet, empfehle ich dir eine professionelle Mediation. Mediator*innen haben häufig mit Erbstreits zu tun und schaffen es oft, völlig zerstrittene Parteien zu einer Lösung zu führen, wenn grundsätzlich die Bereitschaft da ist, sich zusammen an einen Tisch zu setzen. Wenn du dich für diesen Weg entscheidest, wird das Gespräch mit deiner Schwester weniger eskalieren, wenn du den einen oder anderen meiner Kommunikationstipps anwendest. 😉 Ich wünsche dir alles, alles Gute!

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